Literatur: Cassandras Tränen - Kapitel: 10


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VerseExkurs - Literatur: Cassandras Tränen - Kapitel: 10


Im Nul-System beobachtete Grady Monk das Zentralgestirn des Systems, während er auf seinen Kontakt wartete. Die Wissenschaft behauptete zwar, dass es sich um einen pulsierenden Stern handeln würde, aber auf Grady wirkte die Helligkeit überhaupt nicht schwankend. Erneut schaute er auf die Uhr. Er würde diesem Typen noch zehn weitere Minuten geben, dann war der nächste Käufer an der Reihe. Grady Monk wartete nicht auf seine Kunden. Aus dem Augenwinkel konnte er eine Bewegung außerhalb des Schiffes erkennen.

‚Das wurde aber auch verdammt noch mal Zeit‘, dachte er und drehte sich um. Seine Augen weiteten sich.

Eine Explosion wie aus dem Bilderbuch zerfetzte Grady Monks Schiff.
An Bord der Gemini saß Darrow noch immer Penny gegenüber. Endlich bekam er die Gelegenheit zu sprechen.

„Sie könnten in echten Schwierigkeiten stecken, Lieutenant“, meinte er, „denn Ihr ziemlich langer Monolog erklärt nur, warum Sie illegalen Zugriff auf das Archiv genommen haben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Zugriff illegal war.“

Die Tür ging auf. Darin stand Admiral Showalter. Er sah nicht gerade gut gelaunt aus. Penny und Darrow salutierten. Showalter machte einen Schritt herein und wandte sich Darrow zu.

„Haben Sie bitte die Güte zu erklären, warum Sie hier meinen Piloten belästigen?“

„Sir, Lieutenant Ayala hat Zugriff genommen auf…“

„… die Daten des Cassandra Projektes. Ich weiß. Ich habe mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen, Junge.“ Showalters Stimme klang ruhig und bedachtsam. „Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

„Es war vor drei Monaten. Wir bemerkten, dass jemand von außen versuchte, die Archive der Labornotizen zum Cassandra Projekt zu knacken. Den Täter konnten wir identifizieren als Warden, den Enkel des ehemaligen Projektleiters.“ Darrow tippte etwas auf seinem Tablet. Warden Mahony erschien, eben derselbe, der auf der Phoenix mitflog. „Die Advokatur hat Warden auf eine Beobachtungsliste gesetzt. Vor drei Wochen ist er plötzlich spurlos verschwunden. Und als Lieutenant Ayala dann auf die Daten Zugriff nahm, befürchteten wir ein Sicherheitsleck.“

„Nachvollziehbar, aber Sie hat nicht für diesen Burschen gearbeitet.“ Showalter schaute Penny fragend an. Sie schüttelte den Kopf. „Damit ist die Sache dann wohl erledigt.“
Vier Systeme weiter im Banu-Territorium war die Situation weit von jeder Lösung entfernt. Cal war gerade dabei, einen Plan zu entwickeln, um die Crew der Phoenix zu überraschen, als ein paar Söldner auftauchten. Nun musste er, neben Sasha, Trunk und Mahony, noch mit sechs weiteren Typen klarkommen.

Cal konnte nicht verstehen, ob sie die Bombe verkaufen oder benutzen würden. Aber das war auch egal, das Teil würde hier sowieso nicht herauskommen. Jetzt brauchte er nur noch einen Plan, an die Bombe heranzukommen. Hier drin ein Feuergefecht zu beginnen, erschien ihm eine schlechte Idee. Es brauchte nur einen Querschläger, um die Bombe zu zünden und dann wäre der ganze Raum, möglicherweise die gesamte Siedlung, nur noch klebriger Matsch.

Cal hatte immer noch den Peilsender der P52, der ihm die Position der Phoenix zeigte. Seine beste Chance war, die Bombe in das All zu befördern und zu zerstören. Er war nicht sehr optimistisch, eine Cutlass gegen eine Constellation zu fliegen, aber das war alle Male besser, als den Konflikt hier unten auszutragen. Außerdem war er mit Flügeln besser als mit Fäusten.

Sasha sprach leise mit den Söldnern und ging dann zu Mahony hinüber, der die übrigen Kanister des Cassandra Projektes in der Bombe installierte.

„Bist du fertig? Wir müssen das Ding jetzt verladen.“

“Gleich, noch ein paar Minuten”, grummelte er, während er die Kanister vorsichtig mit dem Auslöser verkabelte. Sasha drehte sich wieder zu den Söldnern um.

„Sobald wir draußen sind, nehmt ihr eure Positionen entlang der Route ein. Wenn ihr glaubt, dass uns jemand folgt oder uns auch nur zu viel Aufmerksamkeit schenkt, möchte ich das sofort wissen.“ Sie wandte sich Trunk zu. „Du hast sie bezahlt?“

„Klar, alles erledigt.“

Cal zog sich langsam zurück. Er wollte draußen sein, bevor die Bombe unterwegs war und schlich den Weg zurück zum Lüftungsschacht. Als er endlich das Gebäude verlassen hatte, waren sie schon dabei, die Bombe auf eine AntiGrav-Plattform zu verladen. Sasha nickte den Schlägern zu und sie verschwanden in der Menge. Cal merkte sich ihre Gesichter und verbarg sich hinter einer Ecke.
Sasha und Trunk bewachten die Plattform, während Mahony die Bombe durch die engen Gassen der Banu-Siedlung schob. Keiner der Passanten schenkte ihnen irgendwelche Beachtung. Cal hielt wieder Abstand und beobachtete die Gruppe aus der Ferne. Er stellte sicher, dass ihm keiner der Söldner begegnete, die die Route bewachten. Sie waren gut, Cal konnte keinen von ihnen entdecken.

Als die Bombe im Frachtraum der Phoenix verladen war, brach Cal die Observierung ab und rannte zurück zu seiner Cutlass. Er setzte sich hinter das Steuer und fuhr die Triebwerke hoch. Ein schneller Scan des P52-Senders ließ die Phoenix auf seinem Nav erscheinen.

Cal ließ ihnen einen Vorsprung, bevor er ihnen folgte. Sie nahmen Kurs zurück auf den Sprungpunkt. Cal musste eine Entscheidung treffen. Zweifellos hatten sie einen Weg gefunden, die Bombe durch den Zoll zu schmuggeln, aber Cal konnte eine Nachricht schicken, um sie festnehmen und die Bombe sicherstellen zu lassen.

Der Nachteil war, dass er den Käufer dann nicht schnappen würde, sollte es einen geben. Er wog die Möglichkeiten gegeneinander ab. Es war das Risiko nicht wert. Je länger diese Waffe da draußen war, desto mehr Möglichkeiten gab es, Cal zu überraschen. Und er war es langsam müde, überrascht zu werden.

“UEE Zollstation Charlie, Ferron-System. Hier spricht Lieutenant Cal Mason, UEE Navy, SysID#5847DDC. Ich verfolge eine gefährliche Waffe, die an Bord einer Constellation, mögliche Kennung Phoenix, jeden Moment in ihr System springen wird. Bitte separieren und setzen Sie alle Schiffe fest, auf die diese Beschreibung zutrifft. Außerdem leiten Sie diese Nachricht bitte an Lieutenant Penelope Ayala, UEES Gemini, weiter.” Er beschrieb alle Details, die er in Erfahrung gebracht hatte, in einem separaten Anhang und übergab die Nachricht an die nächste Relaystation.

Das sollte es gewesen sein. Er bezweifelte stark, dass die Phoenix sich mit Waffengewalt verteidigen würde. Während er weiterflog, wandelte sich sein Zweifel in ein ‚möglicherweise‘ und endlich in ein ‚sehr wahrscheinlich‘. Sicherlich würden sie sich mit einer Bombe an Bord nicht einfach schnappen lassen. Plötzlich war Cal überzeugt, dass er das Leben vieler Zollbeamter riskierte. Er gab vollen Schub und tauchte in den Sprungpunkt ein.
Auf der anderen Seite herrschte das Chaos. Schiffe taumelten ohne Energie durch den Raum. Die Zollstation war heruntergefahren. Irgendjemand hatte einen EMP gezündet. Einen von den richtig großen. Einige Schiffe nutzten die ausgeschaltete Sicherheit aus und rasten durch den Sprungpunkt, während einige wenige Schiffe der Sicherheitskräfte versuchten, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Das war die perfekte Deckung für die Phoenix.

Cal hatte die Phoenix immer noch auf dem Nav und verfolgte sie. Als das Schiff in Sicht kam, waren nur noch eine Handvoll anderer Schiffe in ihre Richtung unterwegs. Cal bereitete seine Waffen vor. Er musste sie hart und schnell treffen, um möglichst viele ihrer Verteidigungsmöglichkeiten auszuschalten, wollte er eine Chance-

Laserfeuer pfiff an seinem Cockpit vorbei. Cal steuerte instinktiv in die andere Richtung. Eine Marauder schoss an ihm vorbei und setzte zu einem weiteren Angriff an. Sein Scan zeigte, dass die Phoenix die Schilde aktivierte. Plötzlich ging ihm ein Licht auf.

Als Sasha im Labor meinte, sie „sollten ihre Positionen entlang der Route einnehmen“, hatte sie nicht den Weg in der Siedlung gemeint. Sie meinte die Flugroute.

„Cal, du dämlicher Idiot.“ Nun beschoss ihn auch die Phoenix. Cal rollte das Schiff aus der Schussbahn. Plötzlich rief ihn die Constellation.